Schmökertipps

E. Lockhart: Solange wir lügen

Die Sinclairs sind eine Familie wie aus dem Bilderbuch des amerikanischen Traums. Sie besitzen eine Privatinsel, auf der die Großeltern und die drei Töchter mit ihren Familien den Sommer verbringen. Geldsorgen kennen sie nicht, und die Übel der Welt da draußen können sie nicht berühren.

Das ist jedenfalls das Bild, dass die Familie nach außen und auch nach innen vermittelt. Doch hinter der Fassade sieht alles anders aus. Scheidungen, Tod, zu viel Alkohol, Männer, die ihre Familien verlassen ... Aber darüber wird nicht gesprochen. Niemals.

Cadence ist jeden Sommer auf der Insel, verlebt unbeschwerte Wochen mit ihren Cousins und Cousinen und verliebt sich in Gta, den Neffen des neuen Freundes ihrer Tante. Doch in dem Sommer, als Cadence fünfzehn ist, verlässt nicht nur ihr Vater seine Familie, es passiert auch ein Unfall. Offenbar hat Cadence sich beim Schwimmen an einem Felsen den Kopf gestoßen. Seither leidet sie an schrecklichen Migräneanfällen und kann sich an kaum etwas aus diesem Sommer erinnern. Erst zwei Jahre später kehrt sie auf die Insel zurück. Ihre Freunde sind da, aber alle haben die Anweisung bekommen, nicht mit ihr über die damaligen Ereignisse zu sprechen. Sie soll sich selbst erinnern. Und als sie schließlich damit beginnt, kommt sie einer furchtbaren Tragödie auf die Spur ...

Über die Geschichte darf man nicht zu viel verraten, denn sie lebt von dem Verborgenen, von den Geheimnissen, derer sich die Hauptfigur selbst nicht bewusst ist. Nur in ihrer Krankheit und in den Märchen, die sie immer wieder umdichtet, deutet sich an, was in dieser Vorzeigefamilie wirklich los ist. Das kommt erst sehr spät und dann mit voller Wucht heraus. Aber wenn man zurückliest, wird deutlich, dass alles schon offen da lag – nur haben wir als LeserInnen ebenso die Augen davor verschlossen wie Cadence.

Eine bewegende, erschütternde und doch größtenteils leicht erzählte Geschichte, die noch lange nachwirkt.

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